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RAV – wie der Staat uns Vertrieblern schadet

Das Aufbauen eines moderneren funktionierenden Vertriebs ist wohl die Königs-Disziplin eines Unternehmensberaters. Diese so schon schwere Aufgabe wird vom Schweizer Staat auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene torpediert. Ein Plädoyer für mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt, die Stärkung der Einwanderung oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins angelsächsische Ausland.

Wie in keiner anderen Funktion ist der Vertriebs-Bereich geprägt von der Motivation und der Leistung des Einzelnen. Im Erst- oder Folgekontakt gilt es in der Interaktion, telefonisch oder persönlich das Gegenüber davon zu überzeugen das ein nächster Schritt, ein weiterführendes Gespräch, ein Termin, ein Probe-Abo oder dergleichen lohnenswert ist. Diese Interaktion ist nichts anderes als der Weg von einer anfänglichen Ablehnung hin zu – im besten Falle – einer langen, prosperierenden Beziehung. Und dieser Weg braucht Überwindung. Denn jeder Hobby-Psychologe weiss: Bestätigung und in letzter Form Liebe ist etwas, was jeder Mensch sucht, Ablehnung und Zurückweisung meidet er. Erfahrene Verkäufer wissen, dass anfängliche starke Ablehnung langfristig sich in umso grössere Bestätigung wandeln kann. Dieser Prozess braucht mehr als Motivation und Selbstüberwindung auf der Anbieter-Seite, aber ohne diese geht es auf keinen Fall – eine klassisch notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Vertriebler auszubilden und aufzubauen, bedarf deshalb viel Fingerspitzengefühl und gleichzeitig muss der Vertriebsmitarbeiter auch eine gewisse Resilienz und Eigenmotivation mitbringen. Typischerweise entscheidet er sich an einem Punkt in seiner Karriere den Einstieg in den Vertrieb zu wagen und erfährt dann in einer gewissen Zeit positive oder negative Erlebnisse. Diese beurteilt er und entscheidet dann, ob er in dem Bereich bleiben oder diesen wieder verlassen will. Zentral ist dabei, dass in dieser Zeit eine steile Lernkurve angelegt werden kann und der dafür notwendige Fokus bei allen Beteiligten vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall endet der Weg in Frustration auf beiden Seiten.

Schweiz nicht ideal und Behörden arbeiten aktiv gegen den Vertrieb

Ideale Orte für einen gelingenden Vertriebsaufbau sind Ökosysteme, in denen ein sozialer Aufstieg angestrebt wird. Wir denken an die Tellerwäscherkarriere in New York oder den Secondo, welcher der Familie zeigen will, dass er es zu etwas bringen kann. Die traditionelle Schweiz war nie ein perfekter Nährboden für Vertriebler, die Ausnahmen bestätigten die Regel. Insbesondere die Immigration und gewerblich getriebener Aufstieg hat immer wieder Lichtblicke gezeigt. Der typische «Eidgenosse» hat derweil wenig Anreiz sich immer neuer Überwindung zu stellen – zu ausgetrocknet der Arbeitsmarkt, zu gross der Wohlstand, der schon von der Eltern-Generation übernommen werden kann. Will man ein Vertriebs-Team aufbauen, so gilt es bewusst Menschen zu finden, die sich aus der Komfortzone hinaus bewegen wollen. Ein Ansatz dafür sind Menschen, deren Karriere da und dort einen Knick erlebt hat – sie müssen sich bekanntlich ohnehin neu erfinden. Umso mehr erstaunt es, dass die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) Menschen von Verkaufspositionen abraten. In den letzten Monaten zeigen sich mehrere Fälle in denen sogenannte RAV-Berater ihren «Klienten» davon abraten Positionen anzunehmen, in denen variable Lohnkomponenten bestehen. Hinter vorgehaltener Hand wird als Begründung vorgebracht, dass sollte eine Position nicht klappen abermals eine Wartezeit von drei Monaten anfalle und nur der ausbezahlte Lohn (ggf. ohne variable Lohnkomponente) als Basis unterlegt wird. Natürlich ist die Befürchtung nicht unberechtigt, bei seriösen Arbeitgebern ist aber klar, wer sich im Vertrieb aktiv einsetzt, erhält mindestens Teile eines meist mehrstufigen variablen Lohnsystems und oft werden auch Anschub-Fixa bezahlt – der Arbeitsmarkt ist aktuell ja ohnehin umstritten. Die RAV-Berater scheinen diese Formen der Entlöhnung jedoch nicht oder nicht ausreichen zu verstehen. Es scheint, dass der Beamtenstatus der Berater auch auf die Klienten abfärben soll. Dies ist vor allem verheerend, da Beratende ihren Klienten zu kleinen Pensen unter 50% raten, die als Zwischenverdienst anrechenbar ist. Entsprechend bleibt dem Mitarbeitenden jederzeit eine Hintertür. Und typischerweise nutzt man Hintertüren immer dann, wenn Dinge schwierig werden. Das ist vor allem dann schade, wenn mit etwas Durchhaltewillen die Herausforderung geschafft worden wäre. Und an der Stelle gilt es klar zu sagen: Damit wäre dann ein weiterer Arbeitsplatz geschaffen und meistens auch Wirtschaftswachstum geschaffen worden.

Vertrieb ins Ausland auslagern und bestmöglich automatisieren

Ich bewundere alle Unternehmer, Vertriebsleiter, Marketingverantwortliche, etc., welche die Rolle einer Führungsperson wahrnehmen und Mitarbeitende trainieren. Sie müssen nicht nur exzellente Führungs- und Strukturierungsfähigkeiten aufweisen, sondern auch Ihre Branche sehr gut kennen. Zudem gilt es immer mehr digital abzustützen und die Kniffs- und Tricks des digitalen Marketings, inkl. Kontaktrecherche und -Generierung zu beherrschen. In dieser so schon herausfordernden Situation ist es nicht Aufgabe eines Vertriebsleiters die Defizite eines RAV-Beraters zu kompensieren. Ohnehin werfen zahlreiche Führungskräfte im Vertrieb das Handtuch, ein Verlust an Know-how und Resilienz für die betroffenen Firmen. Ich empfehle zum Leidwesen des Schweizer Arbeitsmarkt deshalb im Vorhinein: Automatisieren Sie so viele Tätigkeiten wir möglich, führen Sie saubere CRM-Systeme ein, automatisieren E-Mail-Folgen und Kontakt-Generierungen. Zudem sollten möglichst viele Tätigkeiten ins Ausland ausgelagert werden. Hier bieten zahlreiche Gig-Economy-Plattformen tolle Rekrutierungs- und Abrechnungssysteme. Wichtig dabei: Nicht weniger, sondern mehr an Führungsaufwand investieren – Distanz braucht, das haben wir während Corona gelernt, mehr Interaktion. Mindestens aber ist so das oftmals entscheidende Thema der Motivation keine Belastung mehr. Ein deutschsprachiger Call-Agent in Ungarn dankt für den gut bezahlten Arbeitsplatz.

Autor: Dariush Daftarian