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Trinkgeld im digitalen Zeitalter: Innovation oder gesetzlicher Alptraum?

Am 1. Juli diskutierten Branchenexperten und Gastronomie-Visionäre unter der Moderation von Dariush Daftarian über die hitzige Frage: Wie sollen Trinkgelder in einer zunehmend bargeldlosen Welt versteuert werden? Manuel Wiesner von der renommierten Familie Wiesner Gastronomie steht im Mittelpunkt dieser Debatte und stellt sich der brisanten Frage, ob die digitale Transformation die Gastronomie voranbringt oder in ein rechtliches Chaos stürzt.

Daniel und Manuel Wiesner, die Pioniere der Fredy Wiesner Gastronomie AG, haben mit der Einführung des bargeldlosen Bezahlens in 31 Restaurants für Aufsehen gesorgt. Seit den 1990er Jahren prägen sie die Gastronomieszene mit ikonischen Restaurants wie dem Outback am Stadelhofen und dem Nooch im Steinfelsareal. Doch diese mutige Umstellung entpuppte sich als doppelschneidiges Schwert: Die digitale Zahlungsweise enthüllte eine bisher unsichtbare Herausforderung – die Versteuerung von Trinkgeldern. Was einst informell geregelt wurde, steht nun im Rampenlicht der Transparenz.

Juristische Klarheit und digitale Umwälzungen

Mit über 30 Restaurants in ihrem Portfolio sah sich die Familie Wiesner plötzlich vor der Aufgabe, den Umgang mit Trinkgeldern zu klären. Sie suchten juristische Beratung und konsultierten die Behörden. Die Antwort war überraschend und eindeutig: Trinkgeld, das einen „wesentlichen“ Bestandteil des Lohns ausmacht, muss wie ein Lohnbestandteil behandelt werden – und zwar mit der Faustregel von 10 Prozent. In der Gastronomie kann dieser Anteil jedoch bis zu 30 Prozent des Lohns erreichen, was in der Tieflohnbranche erhebliche Auswirkungen hat. Die digitale Zahlungsweise brachte diesen bisher oft informell behandelten Bereich ans Licht und stellte die Gastronomen vor eine neue, komplexe Realität.

Gesetzliche Grauzone: Versteckte Gefahren bei der Trinkgeld-Versteuerung

„Die heutige Praxis ist eigentlich illegal“, stellt Thomas Geiser, emeritierter Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen, klar. Geiser erklärt: „Sie hat sich aus der Annahme entwickelt, dass Trinkgelder nur noch selten gezahlt werden. Doch diese Annahme entspricht nicht der Realität. Trinkgelder sind nach wie vor häufig.“

Diese Erkenntnis zeigt auch, warum die Behörden bisher wenig unternommen haben: Solange Trinkgelder bar gezahlt wurden, blieben sie oft unsichtbar, da sie in keiner Buchhaltung erfasst waren und ihre genaue Höhe unbekannt blieb. Gastronomen, die trotz der Digitalisierung der Zahlungen weiterhin wegschauen, riskieren bei Kontrollen erhebliche Nachzahlungen. Geiser warnt: „Sie müssen sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträge nachzahlen, was mehr als zehn Prozent der Lohnsumme ausmachen kann – und das rückwirkend für bis zu fünf Jahre.“

Fortschritt und Widerstand: Die Reaktionen auf die neuen Trinkgeldvorschriften

Diese neuen Regelungen bringen zwar zusätzliche Pflichten, bieten jedoch auch spürbare Vorteile. Mitarbeitende geniessen eine verbesserte Versicherung und einen offiziell höheren Lohn, was sich vorteilhaft auf ihre Lebenssituation auswirken kann, wie zum Beispiel bei der Kreditanfrage oder der Wohnungssuche. Die Mitarbeitenden der Fredy Wiesner Gastronomie haben die Umstellung insgesamt sehr positiv aufgenommen und zeigen sich erfreut über die Vorteile, die diese Neuerungen mit sich bringen.

Trotz dieser rechtlichen Absicherung und den Vorteilen stösst die neue Praxis nicht überall auf Zustimmung. Besonders der Gastronomieverband GastroSuisse, vertreten durch den frisch gewählten Präsidenten Beat Imhof, äussert Bedenken. Imhof warnt, dass ein formalisierter Umgang mit Trinkgeldern die ohnehin bestehenden Probleme der Branche, wie den Fachkräftemangel und ein schlechtes Image, weiter verschärfen könnte. Trinkgelder sind für viele im Gastgewerbe eine wesentliche Motivation, die Herausforderungen wie unregelmässige Arbeitszeiten, niedrige Grundlöhne und anspruchsvolle Gästeinteraktionen auszugleichen. Es besteht die Sorge, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Versteuerung von Trinkgeldern die Attraktivität des Berufs weiter mindern könnte.

Ein Balanceakt zwischen Tradition und Moderne

Inmitten dieser Diskussion bleibt die Frage offen: Wie gelingt es der Gastronomie, Tradition und Moderne in Einklang zu bringen, um sowohl gesetzliche Anforderungen zu erfüllen als auch ein attraktives Arbeitsumfeld zu bewahren? Cdg Beratungen bietet entscheidende Unterstützung, um in dieser neuen Realität erfolgreich zu navigieren und zukunftssichere Lösungen zu entwickeln.